„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Donnerstag, 9. Februar 2012

Transparenz versus Wahrnehmung?

Thomas Metzinger, Die Selbstmodell-Theorie der Subjektivität: Eine Kurzdarstellung in sechs Schritten (http://www.ifzn.uni-mainz.de/Metzinger.pdf)

1. Der Mensch als informationsverarbeitendes System
2. Transparenz und Wahrnehmungsglaube
3. Was heißt ‚interne Quellen‛?
4. Differenz von Vollzug und Reflexion (Naivität und Kritik)
5. Selbstbewußtsein als „Interface“
6. Narrativität und Rekursivität

Nachdem ich meine lose Folge von Posts von April bis Juni 2010 zu Metzingers „Ego-Tunnel“ abgeschlossen hatte, hatte ich nicht gedacht, daß ich mich nochmal dazu überreden lassen würde, mich wieder mit Texten von ihm zu beschäftigen. Nach einer Reihe von Kommentaren (vgl. meinen Post vom 13.05.2010) ist aber jetzt genau das der Fall. Metzingers Text zur „Selbstmodell-Theorie der Subjektivität“ hält auch das Versprechen, das mir gegeben wurde: Er beinhaltet eine in sich schlüssige Argumentation zu einer neurophysiologisch begründeten Theorie der Subjektivität. Dabei bleibt die theoretische, von Metzinger als Naturalismus bezeichnete Position offen für die Möglichkeit, daß nicht alle subjektiven Phänomene im Rahmen dieser Theorie erklärt werden können: „Wenn es sich zum Beispiel zeigen sollte, dass es ... etwas am menschlichen Selbstbewusstsein gibt, dass sich dem naturwissenschaftlichen Zugriff aus prinzipiellen Gründen entzieht, dann werden sie (die naturalistischen Philosophen – DZ) auch damit zufrieden sein.“ (S.6)

Mit diesem Zugeständnis an die phänomenale Komplexität des Themas entsteht aber gleich ein weiteres Problem: Was sind die begrifflichen Voraussetzungen, unter denen dieses Zugeständnis gilt? Welche Art von Allaussagen werden mit einer Totalität wie dem Selbstbewußtsein verknüpft und bestimmen damit als solche den Rahmen für Zugeständnisse an die prinzipielle Begrenztheit des naturwissenschaftlichen Zugriffs darauf?

Metzinger legt sich hier frühzeitig fest: Der Mensch ist für ihn allererst ein „informationsverarbeitendes System“ (vgl.S.9,10, 21) und das „bewusste Erleben eines Selbst (wird) als Resultat von Informationsverarbeitungs- und Darstellungsvorgängen im zentralen Nervensystem analysiert“. (Vgl.S.5) Wir haben es also bei Metzingers Selbstmodell-Theorie mit einer Informationstheorie zu tun, wie ich sie in meinen beiden Posts zur Informationstheorie und zur Gegenstandstheorie der Wahrnehmung beschrieben habe. (Vgl. meine Posts vom 25.10.2011) Je nach dem ob ich also von einer Informationstheorie oder von einer Gegenstandstheorie des menschlichen Selbst- und Weltverhältnisses ausgehe, ist auch die Vorstellung von der Begrenztheit des naturwissenschaftlichen Zugriffs auf das menschliche Selbstbewußtsein  selbstverständlich eine völlig andere.

Der wichtigste Unterschied liegt vor allem darin, daß in einer Informationstheorie des menschlichen Selbstbewußtseins dessen ‚Inhalte‛, also die Vorstellungen und Wahrnehmungen, ihm nicht fremd sein können. Empirisch und konkret können nur die beobachtbaren physiologischen Vorgänge im Gehirn sein, während die Bedeutung und der Sinn der ‚Informationen‛, also der von den Nervenbahnen weitergeleiteten Signale nur noch als abstrakt erscheinen: „Der Inhalt ist also eine abstrakte Eigenschaft des konkreten repräsentationalen Zustands in ihrem Kopf.“ (S.23) – Ist aber der Inhalt nur eine abstrakte Eigenschaft, so fehlt ihm der Widerfahrnischarakter, das, was ihn dem Bewußtsein fremd bleiben läßt, – also letztlich das, was ihn als dem Bewußtsein widerstehenden Gegen-Stand auszeichnet.

Damit hat Metzinger also schon eine begriffliche Vorentscheidung getroffen, und mit dieser Vorentscheidung hat er auch sein Zugeständnis an die prinzipielle Begrenztheit der naturwissenschaftlichen Zugriffs eingegrenzt. Zwar läßt sich nicht alles naturwissenschaftlich erklären, aber was sich erklären läßt, muß sich dem Konzept einer Informationstheorie des Menschen fügen. In den folgenden Posts wird es mir deshalb vor allem darum gehen, wie weit Metzingers Konzept mit dem Konzept einer Gegenstandsorientierung konform gehen kann und an welcher Stelle beide Beschreibungsformen des Menschen notwendigerweise miteinander unvereinbar sind.

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