„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Dienstag, 16. Juni 2015

Das Geld und unsere Ressourcen

In meinen Posts vom 05.03. und vom 23.03.2014 habe ich mich mit der Frage auseinandergesetzt, wie es dazu kommt, daß aus Geld immer mehr Geld wird, was man für gewöhnlich als ‚Mehrwert‘ bezeichnet. In meinem Post vom 25.03.2014 habe ich dazu auch eine Graphik gezeichnet, um die für mich schwierige Materie und den damit verbundenen impliziten Betrug am arbeitenden Menschen etwas anschaulicher darzustellen. Ob mir das gelungen ist, müssen andere beurteilen.

Der von dieser Graphik veranschaulichte, von Frank Engster stammende Grundgedanke besteht darin, daß das Geld eine Ökonomie der Zeit ermöglicht. Es nimmt in Form einer Investition des Unternehmers in die Produktion seiner Waren den aus dem Verkauf dieser Waren hervorgehenden Gewinn vorweg. Engster bezeichnet diese Art des Rechnens mit Geld als Futurum II.

Der Hauptaugenmerk richtet sich dabei auf die Mehrwertbildung, die dadurch ermöglicht wird, daß die menschliche Arbeitskraft über die Notwendigkeit ihrer eigenen Reproduktion hinaus zusätzliche unbezahlte Arbeit leistet und so mehr Waren produziert als nötig. Dieser Betrug an der ‚vulgären‘ Lebenszeit des Arbeiters ist schon schlimm genug. Dabei entgeht unserer analytischen Aufmerksamkeit aber, daß der auf diesem Betrug beruhende, scheinbar positive Zukunftsbezug des Geldes noch einen ganz anderen Sachverhalt verdeckt. Tatsächlich haben wir es beim Geld nämlich nicht mit einer wie auch immer betrügerischen Ökonomie der Zeit zu tun, sondern mit einer regelrechten Zeitvernichtungsmaschine. Was ich damit meine, möchte ich in der folgenden Graphik veranschaulichen.


Engster weist darauf hin, daß das Geld ein Wertspeicher sei. Beim Kauf einer Ware, etwa eines Spatens, geht der Wert des Spatens – nehmen wir an 20 € – in den Geldschein über, den ich dafür zahle. Dieser Vorgang der Wertübertragung ist allerdings erst dann vollständig, wenn sich der Spaten durch jahrelangen Gebrauch verbraucht hat. Erst dann existiert der Wert des Spatens nur noch im Geldschein; er ist aus der Zeit gefallen. Nehmen wir an, daß das nach ca. 20 Jahren der Fall ist. Engster bezeichnet dieses mit dem Verbrauch des Spatens einhergehende Vergehen der Zeit als ‚vulgäre Zeit‘.

Was macht der Händler jetzt? Legt er den Geldschein auf die Seite, hebt ihn zwanzig Jahre lang auf und erkundigt er sich dann vielleicht sogar bei dem ehemaligen Kunden, ob er seinen Spaten inzwischen verbraucht hat, um sicher zu gehen, daß der Geldschein nun seinen vollen Wert hat? Wohl kaum.

Der Händler wird vielmehr den Geldschein gleich bei nächster Gelegenheit wieder verwenden, entweder indem er ihn beim Verkauf einer Ware gegen einen größeren Schein einwechselt oder indem er sich für seinen eigenen Gebrauch einen Fahrradreifen im Wert von 20 € kauft, der vielleicht eine ‚Lebenszeit‘ von fünf Jahren hat. Das heißt: die zwanzig Jahre des Spatens werden nicht abgewartet, sondern das Geld realisiert diese zwanzig Jahre unmittelbar beim Kauf bzw. Verkauf der nächsten Ware, die wiederum mit ihrer eigenen ‚Lebenszeit‘ in den Wert des Geldscheins eingeht.

Das ist also der wahre Charakter des Geldes: die sogenannte ökonomische Zeit, in der sich der Mehrwert des Geldes realisiert, vernichtet im Falle des Spatens zwanzig und im Falle des Fahrradreifens fünf Jahre, ohne daß der Geldschein selbst dafür irgendwie Zeit verbrauchen müßte. Und das macht der Geldschein unentwegt. Da Geldscheine sich nicht verbrauchen, sondern eine unendliche ‚Lebenszeit‘ haben, vernichten sie also mit ihren Kaufakten unendlich viel Gebrauchszeit von Spaten und Fahrradreifen usw.

Woraus bestehen aber Spaten und Fahrradreifen? Aus den Ressourcen unserer Erde, aus Erzen und aus nachwachsenden Rohstoffen. Im Falle des Fahrradreifens auch noch aus diversen Kunststoffen, die wiederum aus fossilen Rohstoffen hergestellt wurden. Okay: Spaten und Fahrradreifen sind jetzt nicht so das passende Beispiel. Denken wir also an Autos, Computer, Fernsehgeräte, Handys etc. Daran wird noch auffälliger, was hier alles durch Geld vernichtet wird, zumal hier oft genug den Geräten vom Hersteller noch ein Verfallsdatum eingebaut wird, damit sie nicht so lange halten und so die Wiederverwertung des herausgefilterten Geldwerts behindern. Fernsehgeräte werden nicht mit hdtv-Standards und 3D ausgestattet, um die Bedürfnisse von Kunden zu befriedigen, sondern um die alten Fernsehgeräte durch neue zu ersetzen. Technologische Innovationen dienen ausschließlich der Geldwertvermehrung.

All die Gebrauchszeit, die vulgäre Zeit dieser Geräte, wird durch das Geld, das deren Verbrauch nicht abwarten kann und in neuen Kaufakten wiederverwendet werden will, null und nichtig. Sie müssen ständig technologisch neu erfunden werden, nicht etwa, weil ein Bedarf daran besteht, sondern weil sie durch das Geld gleichermaßen entwertet wie verwertet werden. Das Geld hat ein unwiderstehliches Bedürfnis danach, sich ständig neu zu produzieren. Es kann nicht einfach herumliegen und darauf warten, bis sich alle diese Dinge, die mit seiner Hilfe produziert werden, verbraucht haben.

Deshalb wird unser Planet ausgeplündert, bis auf den letzten Tropfen Öl, den letzten Tropfen Trinkwasser und das letzte Krümelchen Mutterboden. So einfach ist das.

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