„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Montag, 2. April 2018

Das Licht des Glaubens

1. Glaube als Argumentationsmodus
2. Glaube als Vernunft
3. Glaube als Sinnesorgan
4. Glaube als Kommunikationsform: persönliches Angesprochensein
5. Glaube als Kommunikationsform: Vermittlung
6. Glaube als Kommunikationsform: Nächstenliebe
7. Glaube als Unterwerfung
8. Glaube als Unglaube
9. Glaube als Reinheit

Um die gemeinsamen Wurzeln von Glaube und Vernunft aufzuzeigen, verweist lumen fidei auf den Gleichklang der hebräischen Wörter für ‚bleiben‘ und ‚glauben‘ und auf die Übersetzung von ‚bleiben‘ mit ‚verstehen‘ in der griechischen Fassung der Bibel. (Vgl.Nr.23ff.) Glaube und Vernunft ähneln sich demnach in ihrer einheitsstiftenden und haltgebenden Funktion:
„Der Mensch braucht Erkenntnis, er braucht Wahrheit, denn ohne sie hat er keinen Halt, kommt er nicht voran. Glaube ohne Wahrheit rettet nicht, gibt unseren Schritten keine Sicherheit.“ (Nr.24)
Im Wandel der Zeiten tragen Glaube und Vernunft dazu bei, daß die Menschen nicht den Überblick über ihren Weg verlieren, den sie zu gehen haben. Bei aller Zufälligkeit und willkürlichen Brutalität der historischen Ereignisse behält das menschliche Leben einen bleibenden, auf Gott ausgerichteten Sinn. So bilden Glaube und Vernunft eine „Kreisbewegung“, wie es in lumen fidei heißt, in der vom Glauben her das Licht der Liebe auf Jesus hin ausgerichtet ist und von ihm her wieder ein Licht auf den Weg zurückfällt, der vor uns liegt:
„In dieser Kreisbewegung erleuchtet das Licht des Glaubens alle unsere menschlichen Beziehungen, die in Einheit mit der einfühlsamen Liebe Christi gelebt werden können.“ (Nr.32)
In dieser Kreisbewegung fehlt nicht von ungefähr die Nächstenliebe, denn das unter den Gläubigen kreisende Verhältnis von Glaube und Vernunft sucht sich seinen Dialogpartner woanders:
„Getrieben von dem Wunsch, die gesamte Wirklichkeit von der in Jesus offenbarten Liebe Gottes her zu erleuchten, und in dem Bemühen, selbst mit ebendieser Liebe zu lieben, fanden die ersten Christen in der griechischen Welt und deren Hunger nach Wahrheit ein geeignetes Gegenüber für den Dialog.“ (Nr.32)
Nicht die Armen und Verzweifelten, in denen Jesus allererst wiedererkannt werden wollte, stehen im Zentrum dieser Liebe, sondern der „Hunger nach Wahrheit“, wie ihn die griechische Philosophen vorgelebt hatten. Nicht umsonst haftet dem letzten Papst der Ruf eines Intellektuellen an.

Im Bedeutungshof von ‚Bleiben‘ und ‚Verstehen‘ spielt das Gedächtnis eine fundamentale Rolle. Das Licht dieses Vernunftsglaubens strahlt von einem „grundlegenden Gedächtnis“ (Nr.40) aus, das den klaffenden Abgrund von zweitausend Jahren zu überbrücken vermag. Dieses grundlegende Gedächtnis erinnert sich an die Verheißungen des alten wie des neuen Testamentes und schlägt so die Brücke zu einer Zukunft, in der sich diese Verheißungen erfüllen werden (vgl.Nr.9):
„Mittels einer ununterbrochenen Kette von Zeugnissen kommt die Gestalt Jesu zu uns.“ (Nr.38)
Subjekt dieses Gedächtnisses ist die Kirche (vgl.Nr.38), denn nur sie vermag die mehrtausendjährige Geschichte im Rahmen ihrer Institution zu ‚verkörpern‘, zu ‚bleiben‘ also, und im ‚Bleiben‘ das ‚Verstehen‘ zu gewährleisten. So wird Leiblichkeit institutionalisiert, unsterblich gemacht. Das „Bild des Leibes“ wird auf die Kirche übertragen, in der alle Christen ‚eins‘ sind, nämlich ‚ein Leib‘. (Vgl.Nr.22) Von einer Auferstehung des Fleisches ist nicht mehr die Rede, da hier niemand mehr wirklich stirbt.

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