„...letztlich ist der Mensch, als Folge oder Krönung der Evolution, nur in der Totalität der Erde begreifbar.“ (Leroi-Gourhan, Hand und Wort, S.22)

Dienstag, 3. April 2018

Das Licht des Glaubens


1. Glaube als Argumentationsmodus
2. Glaube als Vernunft
3. Glaube als Sinnesorgan
4. Glaube als Kommunikationsform: persönliches Angesprochensein
5. Glaube als Kommunikationsform: Vermittlung
6. Glaube als Kommunikationsform: Nächstenliebe
7. Glaube als Unterwerfung
8. Glaube als Unglaube
9. Glaube als Reinheit

„Wer glaubt, sieht ...“ (Nr.1), heißt es in lumen fidei. In der ganzen Enzyklika fehlt der Hinweis auf den ungläubigen Thomas und das mit ihm verbundene Lob Jesu für die nicht-sehenden Gläubigen. Überhaupt ist es interessant, welche Glaubenszeugen in lumen fidei nicht genannt werden. Nirgendwo ist von Hiob die Rede. Dafür um so mehr von Abraham, dem Vater des Glaubens. Einen krasseren Gegensatz kann man sich kaum vorstellen als den zwischen Hiob und Abraham, dem aufmüpfigen, verzweifelten Gottesankläger und dem demutsvollen, opferbereiten, letztlich resignierenden Abraham. Denn der Vater des Glaubens resigniert: anstatt sich seinem grausamen Gott entgegenzustellen, willigt er in die Aufopferung seines Sohnes ein.

Nur wer sieht und hört, so lumen fidei, kommt zum wahren Glauben. Dabei wird zwischen diesen Sinnesorganen differenziert. Wer sieht, der sieht die ganze Wahrheit, wie von einem erhöhten Standpunkt aus. (Vgl.Nr.29) Er befindet sich in einer Gegenüberstellung, fast schon auf Augenhöhe mit dem Gegenüber. Er kann beurteilen, was geschieht, und sich auf diese Weise „in den großen Plan Gottes ein()reihen“ (vgl. ebenda). Wer sieht, darf seinen Verstand gebrauchen.

Nicht so wer hört. Denn wer hört, ist zum „Gehorsam“ aufgerufen. (Vgl.Nr.29) Von ihm wird „Nachfolge“ erwartet. (Vgl. ebenda) Er wird ganz „persönlich“ angesprochen, ohne zu wissen, woher die Stimme kommt, die ihn anspricht. Wer von Gott angesprochen wird, von dem wird erwartet, daß er sich ihm unterwirft. Wem sich Gott hingegen zeigt, im brennenden Dornbusch, im Antlitz eines Notleidenden, der wird als Gegenüber anerkannt. Von ihm wird etwas anderes erwartet als eine Unterwerfung.

Beide Sinnesorgane, Auge und Ohr, Licht und Wort, spielen in der Bibel lumen fidei zufolge eine Rolle. Das Gesicht ist nicht weniger biblisch als das Gehör. Das Gesicht ist kein ausschließliches Erbstück der Griechen. (Vgl.Nr.29)

Doch es sind nicht die Sinnesorgane selbst, die den Glaubensbezug ermöglichen. Das Licht und das Wort kommen von woanders her. Sie bilden keine natürliche, sondern eine „übernatürliche Tugend, die er uns einflößt“. (Vgl.Nr.7) Es gibt einen Unterschied zwischen ‚Intuition‘ und ‚Glaube‘. Die Intuition kommt aus den Tiefen unseres Leibes, aus dem Herzen. Der Glaube hingegen kommt von Gott. Die ursprünglichere Quelle ist aber das Herz, weil sie nicht von woanders her sprudelt. Sie ist eine natürliche Gabe.

Lumen fidei leugnet das. Für die Enzyklika ist nicht das menschliche Herz die ursprünglichste Quelle unserer Intuitionen, sondern Gott. (Vgl.Nr.4 u.ö.) Zwar ist auch in lumen fidei viel und oft vom Herzen die Rede, als „Mitte des Menschen, wo alle seine Dimensionen – Leib und Geist, die Innerlichkeit der Person sowie seine Öffnung für die Welt und die anderen; Verstand, Wille und Gefühlsleben – miteinander verflochten sind“ (Nr.26), aber es wird in seiner Leiblichkeit nicht ernstgenommen. Es darf keine eigene natürliche Quelle von Intuitionen sein. Es muß Sitz des Übernatürlichen sein.

Der natürlichen Tugend des Herzens und der Sinnesorgane wird nicht getraut. Sie bedürfen der Aufrüstung durch das Licht des Glaubens, so wie die rationalen Wissenschaften sich ihrerseits Apparaturen anvertrauen, weil sie den leiblichen Sinnen entweder nichts zutrauen oder sie ihnen nicht weit genug reichen, um den gestiegenen Ansprüchen einer zunehmend unmenschlicher werdenden Welt zu genügen.

Der Gläubige hat also seine eigene übernatürliche Empfänglichkeit für das Wort und für das Licht. Diese Empfänglichkeit ist eine Gottesgabe und nichts für diejenigen, die in den Grenzen ihrer Leiblichkeit befangen bleiben und die sich mit ihren Intuitionen begnügen müssen, ohne ihnen die übernatürliche Weihe des Glaubens zusprechen zu können.

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